Betreff
Beschluss der Gemeindevertretung Rövershagen über den Antrag auf isolierte Abweichung von den Festsetzungen des B-Planes "Im Wiesengrund" der Gemeinde Rövershagen auf dem Flurstück 7/75 der Flur 1 Gemarkung Rövershagen
Vorlage
VBE/2397/2021/GRÖ
Aktenzeichen
Isolierte Abweichung B 8
Art
BV Gemeinden

Beschlussvorschlag:

Die Gemeindevertretung der Gemeinde Rövershagen beschließt, im Rahmen der Beteiligung durch die Untere Bauaufsichtsbehörde nach § 36 BauGB, der beantragten Überschreitung der GRZ mit dem Wohnhaus auf dem Grundstück Gemarkung Rövershagen, Flur 1, Flurstück 7/75 auf Grundlage des § 31(2) BauGB nicht zuzustimmen.

Die geplante Erweiterung des Wohnhauses und damit die Überschreitung der GRZ für die Hauptnutzung hat eine derartige Vorbildwirkung auf alle Grundstücke im Geltungsbereich des Bebauungsplanes, das die planerischen Grundzüge des Bebauungsplanes nicht mehr gewahrt werden können.

Die Durchsetzung des B-Planes führt nicht zu einer nicht beabsichtigten Härte für den Bauherren und  die beantragte Überschreitung ist mit den öffentlichen Belangen nicht vereinbar.

 


Sachverhalt:

Der Gemeindevertretung liegt im Rahmen der Beteiligung durch die Untere Bauaufsichtsbehörde nach § 36 BauGB, der Antrag auf Isolierte Abweichung von den Festsetzungen des B-Planes Nr. 8 „Im Wiesengrund“ zur Stellungnahme vor.

Auf dem Grundstück Gemarkung Rövershagen, Flur 1, Flurstück 7/75 ist geplant, das Wohnhaus zu erweitern – die Begründung liegt in der Anlage bei.

 

Stellungnahme der Verwaltung:

Da es immer mal wieder zu Aussagen zu diesem Thema auch aus Ihren Reihen kommt, die in diesem Fall eine hohe Erwartungshaltung hinsichtlich der Zustimmung zu einem Befreiungsantrag hervorgerufen hat, ist die Verwaltung sehr konkret auf die Bedeutung der Festsetzungen des B-Planes bzw. Grundzüge der Planung eingegangen.

Bitte sind Sie sich der Auswirkung Ihrer Aussagen bewusst. Sie wecken eine Erwartung, die nicht immer erfüllt werden kann.

Verweisen Sie im Sinne der Antragsteller auf die Entscheidung der zuständigen Bauaufsichtsbehörde nach dafür notwendiger Antragstellungen.

Nur aus diesem Grund ist diese Beschlussvorlage entgegen der getroffenen Festsetzung, die Beschlussvorlagen „schlank zu halten“ so ausführlich auf diese Thematik eingegangen.

 

 

Der Bebauungsplan setzt in diesem Bereich eine zulässige Grundflächenzahl (GRZ) von 0,3 der überbaubaren Grundstücksfläche fest.

Gemäß BauNVO § 19 darf diese mit Garagen und Stellplätzen mit ihren Zufahrten, Nebenanlage im Sinne des § 14 der BauNVO und baulichen Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche, durch die das Baugrundstück lediglich unterbaut wird um 50% überschritten werden.

Eine Überschreitung der festgesetzten GRZ mit der Hauptnutzung (hier das Wohngebäude) ist ausgeschlossen.

 

Die Antragsteller planen die Erweiterung des Einfamilienhauses und den Neubau einer Garage.

Damit ergibt sich eine GRZ für die Hauptnutzung von 0,35 und insgesamt eine GRZ von 0,45.

 

Die Antragsteller, eine Familie mit 2 Kindern begründen die Notwendigkeit der Gebäudeerweiterung, die zur Überschreitung der GRZ mit der Hauptnutzung führt wie folgt:

Der Eigentümer (nicht Antragsteller) hat ursprünglich ein barrierefreies Wohnhaus mit breiten Fluren und Türen, aber mit geringer Grundfläche der Räume errichtet.

Da der Antragsteller eine Selbstständigkeit als IT-Planer anstrebt und die Ehefrau als Lehrerin in Pandemie-Zeiten dem „Home office“ gerecht werden möchte, sind zwei unabhängige, zusätzliche Arbeitsräume erforderlich.

Des Weiteren plant die Familie ein 3. Kind.

Perspektivisch (in 15 – 20 Jahren) soll die geplante Erweiterung des Wohngebäudes als Umbaumöglichkeit zur Einliegerwohnung für ein Kind vorgesehen werden.

Eine mögliche Erweiterung des Gebäudes in die Vertikale wird aus gestalterischen Gründen und effizienter Grundrisslösung durch die Antragsteller als nicht sinnvoll betrachtet.

Die Erweiterung des Bestandsgebäudes in die Vertikale (Aufstockung um ein bewohnbares Dachgeschoss) wird als wirtschaftlich nicht zumutbar eingestuft.

 

Das Bestandsgebäude hat eine Grundfläche von 132,53 m², der geplante Anbau 94,94 m².

Geplant ist die Abtrennung eines Schlafraumes aus dem Bestandsraum „Wohnbereich mit integrierter Küche“ von 10,53 m², die Erweiterung des Wohnbereiches um 23,5 m², einem Schlafraum  von 14,21 m², einem Arbeitszimmer von 12,91 m², einem HAR mit vorgelagerrtem Flur sowie ein Bad mit Sauna von 19,08 m².

 

 

Nach § 31 Absatz 2 BauGB, kann von den Festsetzungen des Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und wenn

  1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden die Befreiung erfordern
  2. Die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
  3. Die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde

und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

 

 

Da § 31 BauGB hinsichtlich der Grundzüge der Planung ausgeurteilt sind, möchte ich Ihnen einen Auszug aus der Kommentierung zum BauGB zur Kenntnis geben.

 

Definition Grundzug der Planung:  planerische Grundgedanke/Konzeption,  städtebauliche Leitbild.

 

„Die Vorschrift (§ 31 BauGB)  ermöglicht eine Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden.

Die diesbezüglichen Anforderungen sind in Rechtsprechung und Literatur seit langem geklärt. Die Grundzüge der Planung ergeben sich aus der den Festsetzungen des Bebauungsplans zugrunde liegenden und in ihnen zum Ausdruck kommenden planerischen Konzeption.

Ob sie berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto näher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist (zuletzt BVerwG, Urt. v. 9.8.2018 - 4 C 7.17 -, BVerwGE 162, 363 = BRS 86 Nr. 113 = juris Rn. 8 m.w.N.).

Eine Befreiung darf - jedenfalls von Festsetzungen, die für die Planung tragend sind - nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen (BVerwG, Beschluss vom 5.3.1999 - 4 B 5.99 -, BRS 62 Nr. 99 = juris Rn. 6; aus der Literatur vgl. nur Dürr, in: Brügelmann, BauGB, § 31 Rn. 30 ff. [Stand der Bearbeitung: Juli 2010]; beide m.w.N.).“

Die Begrenzung der GRZ ist als ein Teil des Grundgerüsts des Bebauungsplans anzusehen. 

 

Und weiter, da jeder Antrag zu begründen ist, ist immer der Einzelfall zu betrachten:

„Auch beurteilt sich, ob eine Abweichung die Grundzüge der Planung berührt oder von minderem Gewicht ist, stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, nämlich nach dem im zum Ausdruck gebrachten planerischen Wollen. Bezogen auf dieses Wollen darf der Abweichung vom keine derartige Bedeutung zukommen, dass die angestrebte und im zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird. Es muss – mit anderen Worten – angenommen werden können, die Abweichung liege noch im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung gekannt hätte (BVerwG Urt. v. 9.3.1990 – 8 C 76.88NVwZ 1990, 873 (874); VGH München Urt. v. 14.12.2016 – 2 B 16.1574NVwZ-RR 2017, 483 Rn. 38OVG Münster Urt. v. 8.3.2017 – 10 D 12.16.NEBauR 2017, 1307 (1308))“.

 

 

Zusammengefasst bedeutet dies, da die Zustimmung zum isolierten Antrag auf Überschreitung der GRZ mit der Hauptnutzung (GRZ = ein Grundzug der Planung) Auswirkung auf ALLE Grundstücke die im Geltungsbereich des B-Planes Nr. 8 „Im Wiesengrund“ liegen hat und damit die städtebaulichen Ziele des B-Planes nachhaltig berührt werden, würde das definierte Grundgerüst des B-Planes nicht mehr zu halten sein.

Außer dem eindeutig definierten planerischen Willen der Gemeinde auf den im B-Plan genannten Mindestgrößen der Grundstücke eine GRZ von 0,3 zuzulassen, definiert die  den Versiegelungsgrad im Plangebiet. Danach wird der notwendige Ausgleich berechnet und realisiert.

Da die Hauptnutzung unter die s.g. GRZ I fällt und diese regelmäßig keiner Überschreitung zugänglich ist, ist hier der konkrete Ausgleich zu fassen.

Bei der GRZ II, die alle Nebenanlagen im Sinne der BauNVO erfasst und einer Überschreitung bis zu 50% zugänglich ist (wenn vom B-Plan nicht ausgeschlossen) wird diese Überschreitungsmöglichkeit bei der Berechnung des Ausgleiches berücksichtigt.

 

Aus Sicht der Verwaltung kann diesem Antrag mit der o.g. Begründung nach § 31 BauGB nicht zugestimmt werden.

 

 

 


Stellungnahme des Bauausschusses:

Der Bauausschuss empfiehlt der Gemeindevertretung Rövershagen mit 4 Ja und 1 Nein-Stimmen den Beschluss laut Beschlussvorlage zu fassen.