Beschlussvorschlag:
Die Gemeindevertretung der Gemeinde Rövershagen
beschließt, im Rahmen der Beteiligung durch die Untere Bauaufsichtsbehörde nach § 36
BauGB, der beantragten Überschreitung der GRZ mit dem Wohnhaus auf dem
Grundstück Gemarkung Rövershagen, Flur 1, Flurstück 7/75 auf Grundlage des §
31(2) BauGB nicht zuzustimmen.
Die geplante Erweiterung des Wohnhauses und damit die Überschreitung der
GRZ für die Hauptnutzung hat eine derartige Vorbildwirkung auf alle Grundstücke
im Geltungsbereich des Bebauungsplanes, das die planerischen Grundzüge des
Bebauungsplanes nicht mehr gewahrt werden können.
Die Durchsetzung des B-Planes führt nicht zu einer nicht beabsichtigten
Härte für den Bauherren und die
beantragte Überschreitung ist mit den öffentlichen Belangen nicht vereinbar.
Sachverhalt:
Der Gemeindevertretung liegt im Rahmen der Beteiligung durch die Untere
Bauaufsichtsbehörde nach § 36 BauGB, der Antrag auf Isolierte Abweichung von
den Festsetzungen des B-Planes Nr. 8 „Im Wiesengrund“ zur Stellungnahme vor.
Auf dem Grundstück Gemarkung Rövershagen, Flur 1, Flurstück 7/75 ist
geplant, das Wohnhaus zu erweitern – die Begründung liegt in der Anlage bei.
Stellungnahme der Verwaltung:
Da es immer mal wieder zu Aussagen zu diesem
Thema auch aus Ihren Reihen kommt, die in diesem Fall eine hohe
Erwartungshaltung hinsichtlich der Zustimmung zu einem Befreiungsantrag
hervorgerufen hat, ist die Verwaltung sehr konkret auf die Bedeutung der
Festsetzungen des B-Planes bzw. Grundzüge der Planung eingegangen.
Bitte sind Sie sich der Auswirkung Ihrer
Aussagen bewusst. Sie wecken eine Erwartung, die nicht immer erfüllt werden
kann.
Verweisen Sie im Sinne der Antragsteller auf
die Entscheidung der zuständigen Bauaufsichtsbehörde nach dafür notwendiger
Antragstellungen.
Nur aus diesem Grund ist diese Beschlussvorlage
entgegen der getroffenen Festsetzung, die Beschlussvorlagen „schlank zu halten“
so ausführlich auf diese Thematik eingegangen.
Der Bebauungsplan setzt in diesem Bereich eine
zulässige Grundflächenzahl (GRZ) von 0,3 der überbaubaren Grundstücksfläche
fest.
Gemäß BauNVO § 19 darf diese mit Garagen und
Stellplätzen mit ihren Zufahrten, Nebenanlage im Sinne des § 14 der BauNVO und
baulichen Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche, durch die das Baugrundstück
lediglich unterbaut wird um 50% überschritten werden.
Eine Überschreitung der festgesetzten GRZ mit
der Hauptnutzung (hier das Wohngebäude) ist ausgeschlossen.
Die Antragsteller planen die Erweiterung des
Einfamilienhauses und den Neubau einer Garage.
Damit ergibt sich eine GRZ für die Hauptnutzung
von 0,35 und insgesamt eine GRZ von 0,45.
Die Antragsteller, eine Familie mit 2 Kindern
begründen die Notwendigkeit der Gebäudeerweiterung, die zur Überschreitung der
GRZ mit der Hauptnutzung führt wie folgt:
Der Eigentümer (nicht Antragsteller) hat
ursprünglich ein barrierefreies Wohnhaus mit breiten Fluren und Türen, aber mit
geringer Grundfläche der Räume errichtet.
Da der Antragsteller eine Selbstständigkeit als
IT-Planer anstrebt und die Ehefrau als Lehrerin in Pandemie-Zeiten dem „Home
office“ gerecht werden möchte, sind zwei unabhängige, zusätzliche Arbeitsräume
erforderlich.
Des Weiteren plant die Familie ein 3. Kind.
Perspektivisch (in 15 – 20 Jahren) soll die
geplante Erweiterung des Wohngebäudes als Umbaumöglichkeit zur Einliegerwohnung
für ein Kind vorgesehen werden.
Eine mögliche Erweiterung des Gebäudes in die
Vertikale wird aus gestalterischen Gründen und effizienter Grundrisslösung
durch die Antragsteller als nicht sinnvoll betrachtet.
Die Erweiterung des Bestandsgebäudes in die
Vertikale (Aufstockung um ein bewohnbares Dachgeschoss) wird als wirtschaftlich
nicht zumutbar eingestuft.
Das Bestandsgebäude hat eine Grundfläche von
132,53 m², der geplante Anbau 94,94 m².
Geplant ist die Abtrennung eines Schlafraumes
aus dem Bestandsraum „Wohnbereich mit integrierter Küche“ von 10,53 m², die
Erweiterung des Wohnbereiches um 23,5 m², einem Schlafraum von 14,21 m², einem Arbeitszimmer von 12,91
m², einem HAR mit vorgelagerrtem Flur sowie ein Bad mit Sauna von 19,08 m².
Nach § 31 Absatz 2 BauGB, kann von den
Festsetzungen des Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der
Planung nicht berührt werden und wenn
- Gründe des Wohls
der Allgemeinheit, einschließlich des Bedarfs zur Unterbringung von
Flüchtlingen oder Asylbegehrenden die Befreiung erfordern
- Die Abweichung
städtebaulich vertretbar ist oder
- Die Durchführung
des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen
würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung
nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Da § 31 BauGB hinsichtlich der Grundzüge der
Planung ausgeurteilt sind, möchte ich Ihnen einen Auszug aus der Kommentierung
zum BauGB zur Kenntnis geben.
Definition Grundzug der Planung: planerische Grundgedanke/Konzeption,
städtebauliche
Leitbild.
„Die
Vorschrift (§ 31 BauGB) ermöglicht eine Befreiung
von den Festsetzungen eines Bebauungsplans, wenn die Grundzüge der Planung
nicht berührt werden.
Die
diesbezüglichen Anforderungen sind in Rechtsprechung und Literatur seit langem
geklärt. Die Grundzüge der Planung
ergeben sich aus der den Festsetzungen des Bebauungsplans zugrunde liegenden
und in ihnen zum Ausdruck kommenden planerischen Konzeption.
Ob sie
berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem
planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das
Interessengeflecht der Planung eingreift, desto näher liegt der Schluss auf
eine Änderung der Planungskonzeption, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich
ist (zuletzt , Urt. v.
9.8.2018 - 4 C 7.17 -, BVerwGE 162, 363 = BRS 86 Nr. 113 = juris Rn. 8 m.w.N.).
Eine Befreiung darf - jedenfalls von
Festsetzungen, die für die Planung tragend sind - nicht aus Gründen erteilt
werden, die sich in einer Vielzahl
gleichgelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung
betroffenen Grundstücke anführen ließen (, Beschluss
vom 5.3.1999 - 4 B 5.99 -, BRS 62 Nr. 99 = juris Rn. 6; aus der Literatur vgl. nur
Dürr, in: Brügelmann, BauGB, § 31 Rn. 30 ff. [Stand der Bearbeitung: Juli
2010]; beide m.w.N.).“
Die Begrenzung der GRZ ist als ein Teil
des Grundgerüsts des Bebauungsplans anzusehen.
Und weiter, da jeder Antrag zu begründen ist,
ist immer der Einzelfall zu betrachten:
„Auch beurteilt sich, ob eine Abweichung die
Grundzüge der Planung berührt oder von minderem Gewicht ist, stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, nämlich nach dem im zum Ausdruck gebrachten
planerischen Wollen. Bezogen auf dieses Wollen darf der Abweichung vom keine derartige Bedeutung zukommen,
dass die angestrebte und im zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung
in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird. Es muss – mit anderen
Worten – angenommen werden können, die Abweichung liege noch im Bereich
dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere
Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung gekannt hätte ( Urt. v. 9. 3. 1990 – 8 C 76.88, NVwZ 1990, 873 (874); Urt. v. 14. 12. 2016 – 2
B 16.1574, NVwZ-RR 2017, 483 Rn. 38; Urt. v. 8. 3. 2017 – 10 D
12.16.NE, BauR 2017, 1307 (1308))“.
Zusammengefasst bedeutet dies, da die
Zustimmung zum isolierten Antrag auf Überschreitung der GRZ mit der
Hauptnutzung (GRZ = ein Grundzug der Planung) Auswirkung auf ALLE Grundstücke
die im Geltungsbereich des B-Planes Nr. 8 „Im Wiesengrund“ liegen hat und damit
die städtebaulichen Ziele des B-Planes nachhaltig berührt werden, würde das
definierte Grundgerüst des B-Planes nicht mehr zu halten sein.
Außer dem eindeutig definierten planerischen
Willen der Gemeinde auf den im B-Plan genannten Mindestgrößen der Grundstücke
eine GRZ von 0,3 zuzulassen, definiert die
den Versiegelungsgrad im Plangebiet. Danach wird der notwendige
Ausgleich berechnet und realisiert.
Da die Hauptnutzung unter die s.g. GRZ I fällt
und diese regelmäßig keiner Überschreitung zugänglich ist, ist hier der
konkrete Ausgleich zu fassen.
Bei der GRZ II, die alle Nebenanlagen im Sinne
der BauNVO erfasst und einer Überschreitung bis zu 50% zugänglich ist (wenn vom
B-Plan nicht ausgeschlossen) wird diese Überschreitungsmöglichkeit bei der
Berechnung des Ausgleiches berücksichtigt.
Aus Sicht der Verwaltung kann diesem Antrag mit
der o.g. Begründung nach § 31 BauGB nicht zugestimmt werden.
Stellungnahme des Bauausschusses:
Der Bauausschuss empfiehlt der
Gemeindevertretung Rövershagen mit 4 Ja und 1 Nein-Stimmen den Beschluss laut
Beschlussvorlage zu fassen.