Sitzung: 06.10.2022 Gemeindevertretung Bentwisch
Beschluss: geändert beschlossen
Abstimmung: Ja: 10, Nein: 0, Enthaltungen: 0, Befangen: 0
Beschluss:
Die Gemeindevertretung Bentwisch bestätigt die vom Bürgermeister Herrn Krüger
vorgeschlagenen Grundsätze eines Energiekonzeptes für die weitere Entwicklung
der Gemeinde Bentwisch in Vorbereitung von Beratungen zur Erschließung des
B-Plan Gebietes Nr. 20 und einer nachhaltige Entwicklung der Infrastruktur der
Gemeinde Bentwisch.
Energiekonzept der Gemeinde Bentwisch, Entwurf Grundsätze
Vorbemerkungen
Die Gemeinde
Bentwisch mit ihren 10 Ortseilen und ca. 3350 Einwohnern ist eine Nachbargemeinde
der Hansestadt Rostock. Ihre Lage am Autobahnknotenpunkt Abfahrt Ost der A19,
an der B105 und an der Eisenbahnstrecke HRO-HST sowie am unmittelbaren
Hafenvorgelände macht sie zu einem begehrten Gewerbestandort in der Region.
Die Gemeinde hat seit den 1990er Jahren einen Gewerbegebiet von nunmehr ca.100
ha entwickelt in dem ca. 300 Betriebe bestehen.
Mit den Umspannwerken in Bentwisch und Harmstorf ist die Gemeinde auch ein
bedeutender Knotenpunkt im nationalen und internationalen Stromnetz.
Die Gemeinde hat mit ihrem Bebauungsplan Nr. 20 die Voraussetzungen für eine
maßvolle Weiterentwicklung des Gewerbestandortes geschaffen. Etwa 30 ha
Gewerbegrundstücke stehen für eine Entwicklung bereit, das entspricht den
Festsetzungen im Flächennutzungsplan und steht in Übereinstimmung mit der
regionalen Raumentwicklung.
Gegenwärtig besteht noch eine Abweichung zwischen den Festsetzungen des RREP
und dem Flächennutzungsplan der Gemeinde bezüglich des Vorbehaltsgebietes
„Poppendorf Nord“. Die Gemeinde sieht dieses Begehren des Amtes für regionale
Raumentwicklung sehr kritisch zumal es nicht nur um eine gigantische
Flächenversiegelung (300 ha) sondern auch um eine gänzlich fehlende
Infrastruktur (Straßenanbindung) geht.
Veranlassung, Grundsätze
Mit der
Verschärfung der Energiekriese hat die Gemeinde Bentwisch begonnen ein eigenes
Energiekonzept zu entwickeln, mit dem Ziel, vollständig energieautark zu werden
und als Basis dafür ausschließlich regenerative Energien ohne jedwede
Abhängigkeiten zu entwickeln. Das bedeutet auch, dass nicht nur Systeme mit
Zulieferkomponenten (z.B. Biogassysteme) ausscheiden, sondern dass die Gemeinde
Energieerzeugungs- und Speicheranlagen über ihre kommunale GmbH selbst
entwickelt,
betreibt und vermarktet. Im Gemeindegebiet erzeugte Energie soll nicht nur den
eigenen Bürgern, den öffentlichen Einrichtungen sowie der eigenen Infrastruktur
(z.B. Straßenbeleuchtung) zugutekommen, sondern auch den Gewerbetreibenden
angeboten werden.
Energieverteilnetze
Wir schätzen ein, dass
zur Verteilung von Energieträgern gegenwärtig 3 Medien zur Verfügung stehen:
Gas (Biogas, synthetisches Gas, Erdgas), Fernwärme über das Medium Wasser und
Strom.
Gemäß unseren Grundsätzen halten wir die Energieversorgung über das Medium Gas
für wenig zukunftsfähig, weil hier selbst bei Biogas grundsätzliche
Abhängigkeiten bestehen, die nicht ersetzt werden können. Ein Fernwärmenetz zu
etablieren ist im ländlichen Raum wenig sinnvoll, das Kosten- Nutzen Verhältnis
ist unwirtschaftlich, die Unterhaltskosten eines solchen Netzes sind erheblich.
Die einfachste und wirtschaftlichste Form der Energieübertragung besteht über
das Stromnetz, insbesondere dann wenn über die kommunale Stromerzeugung
erhebliche Strommengen bereitgestellt werden können.
Für den B20 ist ein sogenanntes Arealnetz bereits angedacht. Die Grundidee die
hier verfolgt wird, soll aber ausgeweitet werden und in der Endstufe das
gesamte Gemeindegebiet umfassen. Da es nicht wirtschaftlich erscheint, neben
einem bestehenden Stromverteilnetz ein kommunales Stromnetz Herzustellen,
strebt die Gemeinde hier eine Zusammenarbeit mit dem jetzigen Netzeigentümer
und Netzbetreiber an.
Sofern keine Übereinkunft erzielbar ist wäre die Errichtung eines vollständigen
kommunalen Stromnetzes denkbar.
Örtliche Wärmeverteilnetze und Synergien benachbarter Betriebe Die Gemeinde
unterstützt allerdings Bestrebungen zur Errichtung örtlicher Wärmeverteilnetze,
dies ist aber nicht Gegenstand der B-Planungen oder gemeindlicher Planungen,
sondern soll durch die sich ansiedelnden Unternehmen selbst initiiert
werden. Die individuelle Prozesstechnologie der Betriebe ist zu
unterschiedlich, als dass hier bereits jetzt sinnhafte Vorkehrungen oder
Investitionen getroffen werden können. Sofern es sinnvoll erscheint, anfallende
„überschüssige Wärmeenergie“ zur Beheizung der umliegenden Betriebe zu
verwenden, wird sich die Gemeinde hierfür einsetzen, kann aber keine Vorgaben
machen und wird kein Wärmeverteilnetz vorhalten. Die Gemeinde wird dem
Gewerbegebiet ausreichend Strom aus regenerativen Energiequellen zur Produktion
zur Verfügung stellen, die z.B. über Erd- oder Luftwärmepumpen, die auch zu
Heizzwecken verwendet werden kann.
Die Gemeinde setzt sich ebenfalls dafür ein, dass sich auch die privaten
Haushalte im Gemeindegebiet von fossilen Energieträgern lösen können. Hierfür
sind mehrere Instrumente denkbar. Basis der Überlegungen bleibt aber das
Stromnetz.
Windenergie
Kernbestandteil
des Konzeptes ist die Nutzung von Windenergie.
Die Gemeinde verfügt über die geographischen Voraussetzungen. Die
Mindestabstände von 1000 m zu benachbarten Wohnlagen könnten eingehalten
werden. Es ist geplant auf Teilen der „Vorbehaltsfläche Industrie und Gewerbe
Poppendorf Nord“ einen Windpark zu errichten der aus 3-4 gemeindeeigenen
Windkraftanlagen und einem angemessenen Speicher- bzw. Puffersystem besteht.
Mit der regionalen
Raumordnungsbehörde muss hierzu in einem Zielabweichungsverfahren Übereinkunft
erzielt werden. Für eine Privatinvestition eines Windparks an dieser Stelle
wird es keine Mehrheiten in der Gemeindevertretung geben. Die Gemeinde lehnt es
ab, dass die Auswirkungen von Windkraftanlagen auf das Wohnumfeld
vergesellschaftet werden, der wirtschaftliche Ertrag hingegen nicht.
Für das Zielabweichungsverfahren benötigt die Gemeinde die Unterstützung des
Wirtschaftsministeriums. Für die Umsetzung des Projektes natürlich auch die
Flächen, die sich im Besitz des Landes MV in Verantwortung der
Landgesellschaft, also des Landwirtschaftsministeriums befinden.
Photovoltaik
Die
Erzeugung und der Vertrieb der Windkraftenergie ist nur ein Teil des
Energiekonzeptes der Gemeinde. Die Gemeinde betreibt auf ihrer Sporthalle
bereits seit mehreren Jahren erfolgreich eine PV- Anlage. Die Gemeinde hat die
Absicht, soweit dies ohne erhebliche Baumaßnahmen möglich ist, alle
öffentlichen Gebäude wie Kita, Schule, Feuerwehr, ITC und u.U. auch auf dem
Börgerhus PV-Anlagen zur Stromerzeugung zum Selbstverbrauch zu installieren.
Kritisch sieht unsere weitestgehend landwirtschaftlich geprägte Gemeinde die
Verwendung von wertvollem Acker zur Nutzung von Freiflächen PV-Anlagen. Die
Bodenwerte im Gemeindegebiet zeigen in Teilen verhältnismäßig wertvolle Böden.
Die Gemeinde betreibt daher keine Planänderungen an ihrem
Flächennutzungskonzept, die darauf gerichtet sind, der Landwirtschaft Flächen
zu entziehen.
Solarthermie, Thermische Energieerzeugung
Die Gemeinde
unterstützt über ihr Innovations- und Trendcenter Forschung und Entwicklung
dieser Systeme. Für einen praktischen Einsatz über Versuchsanlagen hinaus sind
aber noch zu wenige Systeme verfügbar bzw. nicht hinreichend ausgereift.
Insbesondere die Verstromung von Erdwärme wäre ein Forschungszweig der
nachhaltig und außerordentlich zukunftsweisend wäre, da diese Energieform
unbegrenzt und ständig verfügbar ist und zu einer vollständigen
Dezentralisierung der Stromnetze
führen würde.
Auswirkungen auf die Planungen zum B 20
Die hier
genannten Komponenten werden auch in die Entwicklung des Gewerbegebietes
einfließen. Die bislang erkennbaren Kriterien für die Klassifizierung sog. G³ -
Gewerbegebiete werfen eine Reihe von Fragen auf, die einer Klärung bedürfen da
sie nach Auffassung der Gemeinde im Widerspruch zu geltendem Planungsrecht
stehen. So ist beispielsweise unklar wie eine Verpflichtung zu PV- Dachanlagen
oder auch die höheren Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden
planungsrechtlich festgesetzt werden sollen. Auch die Komponenten Mobilität und
nachhaltiges Wassermanagement sind im B-Plan schwierig zu regeln.
Die Gemeinde ist in den ÖPNV eingebunden, die letzten Gespräche mit dem Senator
für Bau und Umwelt der Hansestadt Rostock und dem stellvertretenden Landrat des
Landkreises Rostock waren außerordentlich positiv. Verbesserungen in der
Taktung und der Linienführung werden derzeit von den Trägern des ÖPNV in Landkreis
und der Stadt überprüft.
Im B- Plan sind bereits jetzt überdurchschnittlich viele Grünordnungsmaßnahmen
(Renaturierung schadstoffbelasteter Flächen, Aufforstung und Walderweiterung)
geplant und festgesetzt. Die Forderungen der UNB zur Kompensation werden weit
übertroffen.
Die Planinhalte zur Regenwassernutzung bzw. Rückhaltung sind mit dem WWAV und
der Nordwasser abgestimmt.
Die Gemeinde bleibt mit dem Wirtschaftsministerium MV in Verbindung und strebt
natürlich die Qualifizierung zu einem „G³- Gewerbegebiet“ an, wird aber nach
jetzigen Stand der Planung nur Teilbereiche erfüllen können und wollen.
Alle Komponenten dieses Konzeptes sollen unabhängig voneinander betrachtet und
entwickelt werden können.
Andreas Krüger
buergermeister@bentwisch.de